Zugegeben, ich war schon viel hier in der Schweiz unterwegs und habe viele atemberaubende Dinge gesehen. Aber selten hat mich etwas so fasziniert, wie die Thurwasserfälle.
Eigentlich habe ich nur rein zufällig von deren Existenz im Radio gehört, als es im Mai/Juni 2019 ziemlich viel geregnet hat. Eher beiläufig habe ich gehört, dass diese Wasserfälle derzeit ein Naturschauspiel der besonderen Art sei und man dort einen Besuch einplanen sollte.
Also habe ich mich mal ans recherchieren gemacht und überrascht festgestellt, dass die Thurfälle nur ca. 25 min Autofahrt von meinem Zuhause entfernt sind. Noch glücklicher war ich, als ich sah, dass es rund um die Uhr geöffnet hat und man keinen Eintritt zahlen muss. Ich dachte mir: „Was hab ich zu verlieren?“ und machte mich am nächsten Tag gegen 6:30 Uhr auf den Weg.
Ich muss zugeben, bei solchen Touren bin ich eher unvorbereitet unterwegs. Kurz den Ort abgespeichert, schon kann es losgehen. Mich mit den Gegebenheiten im Gelände vorab auseinanderzusetzen ist zwar nicht meine Stärke, aber wie heisst es so schön? Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. 🙂
Von Buchs/Werdenberg aus gesehen fährt man über Gams nach Wildhaus und dann noch weiter bis Unterwasser. Dann geht der Weg linksab in Richtung Ennethur. Schon ab dem Moment der Ankunft war ich komplett verliebt. Die Kulisse hätte problemlos in eine „Heidi“-Szene gepasst.
Kaum aus dem Auto ausgestiegen, findet man sich inmitten einer Bergkulisse wieder, die imposanter und idyllischer zugleich nicht sein könnte. Die Säntisthur fließt flach, aber schon ziemlich rauschend durch das Tal, Kühe weiden auf den Wiesen, im Hintergrund sieht man den thronenden Säntis.
Ein unbefestigter Weg führt einen kleinen Hügel hinauf. Man musste sich zwar vom Blick auf den Säntis verabschieden, dafür kann man von hier über Unterwasser blicken mitsamt den Churfirsten dahinter. Man sieht, wie eine rote Bergbahn den Chäserrugg hinauf fährt. In solchen Momenten halte ich gern inne und genieße den Moment. Im Tal ist es zwar auch noch ruhig, aber solche Momente voller Ruhe findet man vor allem in den Bergen. Etwas weiter weg hört man allerdings schon ein ziemlich erhabenes Rauschen, man hört, man ist auf dem richtigen Weg.
Am Ende des Weges erreicht man ein kleines Tagungszentrum. Ab dem Moment hat mich die unvorbereitete Planung mit voller Wucht getroffen. Hier beginnt der Abstieg. Dieser hat ungefähr eine Länge von 2 km und ist ziemlich steil. Für mich war es an dem Morgen nur ein kleiner Ausflug, als Tagestour empfehle ich, den öffentlichen Verkehr zu nutzen. So muss man den Weg nicht wieder hoch laufen zum Auto, sondern kann weiter talabwärts direkt nach Unterwasser spazieren.
Der Weg hinab führt durch einen Wald, der ursprünglicher nicht sein könnte. An den steilen Hängen liegen immer wieder abgebrochene Bäume, Farne überwuchern den Waldboden. Mit der gerade aufgehenden Sonne konnte ich ein unglaubliches Licht einfangen. Ich bemerkte am Rand ein kleines Bachbett. Es war schon fast völlig ausgetrocknet, was in mir die Angst weckte, zu spät dran zu sein um das im Radio beworbene Naturschauspiel zu erleben. Am Ende des Weges sah ich von Weitem eine Grillstelle. Kaum dort angekommen wusste ich, ich bin am Ziel. Die Thur war hier alles andere als flach. Der tosende Bach hatte sich über Jahrtausende seinen Weg durch das Gestein gefressen.
Nun eröffnet sich einem ein Weg, der an dem Bach entlang führt und eine kleine Brücke über den Tobel erahnen lässt. Überall wachsen Farne an den Gesteinswänden, der Bach scheint in seinem schönsten hellblau, die Geräuschkulisse erinnert einen daran, wie klein der Mensch entgegen der Natur ist. Wenn man die kleine Brücke überquert, bietet sich einem ein wahnsinnig schöner Blick auf den Wasserfall. Ich habe selten so einen perfekt touristisch ausgebauten Ort gesehen, den man ohne Eintritt betreten kann. Am Ende der Brücke gelangt man in eine kleine Höhle, die einem eine gigantische Aussicht auf die Thurwasserfälle eröffnen.
Mein Glück war, dass ich am Morgen die erste Besucherin dort war. So konnte ich die Wasserfälle über eine dreiviertel Stunde für mich allein beanspruchen.
Man hat nicht nur die Höhle als Aussichtspunkt. Durch einen beleuchteten, in den Fels geschlagenen Weg kann man bis zum oberen Ende des Wasserfalls steigen. Somit kann man direkt neben dem abfallenden Wasser stehen oder die Aussicht über das Bachbett von oben genießen.
Nach ungefähr 45 min bin ich den Rückweg angetreten. Der war zwar sehr schwer, aber nach dem Erlebten und Gesehenen die Mühe auch wirklich mehr als Wert!
Als kleinen Verpflegungstipp fällt mir das „Hotel Post“ in Unterwasser ein. Hier kann man sehr gut sehr günstig essen.